Bußgottesdienst
1997
in der Basilika am Petersberg
Thema: "Lebensknoten
lösen "
Lied zum Einzung:
Begrüßung:
Jesus spricht: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten
zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch
und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt
nicht, und meine Last ist leicht.
Hinführung: Worte
können belasten. Worte können befreien. Jesu befreiendes Wort
hat Menschen aufatmen lassen. Es ist ihnen klar geworden, was in ihrem
Leben schief läuft, was sie ändern müßten, was sie
alles an unnötigen Lasten mitschleppen, was sie am Leben hindert.
Jesu Wort möchte auch uns, heute, befreien von unserem Versagen,
unserer Schwäche, unseren Zwängen, unseren Belastungen. Im Vertrauen
auf das befreiende Wort Jesu und die nie erlöschende Liebe des Vaters
zu uns Menschen singen wir das Kyrie.
Kyrie: gesungen
Tagesgebet: Lasset uns
beten! Bannherziger Vater, hilf uns, dass wir dein Wort nicht nur mit
den Ohren hören, sondern mit dem Herzen aufnehmen, damit es fruchtbar
wird in unserem Leben; damit Verkrustungen aufbrechen können und
Scheinsicherheiten überflüssig werden. Darum bitten wir, durch
Jesus unseren Bruder. Amen.
Kordel-Meditation
von Dr. Hubert Klingenberger
Wir nehmen die Kordel
in die Hand.
machen uns mit dem Material vertraut,
sehen, daß sie aus einzelnen Schnüren zusammengedreht
ist,
riechen ihren trockenen Geruch,
spüren mit den Händen ihre Rauheit,
aber zugleich auch ihre Beweglichkeit und Geschmeidigkeit.
Wir spielen mit der
Kordel
spannen sie zwischen den beiden Händen,
bilden Schlaufen und bizarre Formen:
direkte Wege, Umwege, Kreise, Kurven,
hin und zurück, vorwärts und weiter
und manchmal rundherum
- wie im Leben.
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Wir spannen die Kordel zwischen
den beiden Händen auf:
unser Leben ist eingespannt:
zwischen Geburt und Tod,
Freiheit und Abhängigkeit,
Lust und Frust,
Familie und Arbeit
zwischen den Erwartungen, die an mich herangetragen werden,
und die ich an mich selber stelle.
Die Lebensspannung ist 'mal stärker', mal schwächer:
Manchmal hängen wir durch, spannungslos, kraftlos;
manchmal ist alles wie zum Zerreißen gespannt,
und es geht nur noch ein kleines Moment
und die Spannung würde sich explosionsartig in einem Durchriß
lösen.
Termine, Erwartungen, Verpflichtungen,
wem auch immer gegenüber,
Sachzwänge, eigene Vorstellungen und Vorhaben
- sie ziehen und zerren an uns.
Doch die Kordel wird nicht länger:
unser Tag hat 24 Stunden,
unsere Kräfte ihre Grenzen,
das Verständnis unserer Lebenspartner, Freunde und Mitarbeiter ein
Ende.
Wir nehmen die Kordel mit
den Fingern an ihren Enden und machen einen Knoten hinein:
Manchmal kommen Knoten hinein
- man weiß nicht wie -
in unseren zugegebenermaßen dicken Lebensfaden.
Unterschiedlichste Bedingungen können dazu führen:
Verletzungen, Enttäuschungen,
Bedrohungen und Ängste,
Wut und Trauer,
Einflüsse von innen und außen,
Gesprochenes, Unausgesprochenes, Nicht-zuende-Gesprochenes.
Je fester die Spannung, desto fester wird der Knoten:
er zieht sich fest, verfestigt sich, etwas schleift sich ein,
bleibt zurück.
Wir behalten die Kordel weiter
an ihren Enden in den Fingern und machen drei, vier weitere Knoten hinein:
Neue Knoten kommen hinzu,
setzen sich neben, vor allem aber auch
auf den ersten Knoten.Wenn einmal der Wurm drin ist,
kommen bald weitere hinzu,so sagen wir.
Das Durcheinander wird größer, verworrener;
Anfang und Ende, der Ausgang aus dem Labyrinth,
sind immer schwerer zu erkennen.
Und fast nebenbei wird die Kordel immer kürzer,
der Abstand zwischen den Kraft- und Spannungspolen immer geringer.
Je mehr wir ziehen,
je größer die Spannung wird,
desto enger und fester ziehen sich die Schlaufen;
anscheinend wird der Knoten dadurch kleiner,
in Wirklichkeit wird er nur unauflösbarer.
Wir können den Lebensknoten nicht entgehen,
wenn wir uns nicht aus der An-Spannung herausnehmen:
Zeitdruck, Erwartungsdruck, Handlungsdruck,
Reflexionsdruck, Verantwortungsdruck nehmen Raum,
machen den Knoten enger,
binden, fesseln, verkürzen
die Lebensspanne, die Spannbreite des Lebens.
Wir nehmen die Spannung von
der Kordel, lockern die Verschlingungen, lösen die Knoten:
Knoten, Verfestigungen, Auswucherungen im Lebensfaden lassen sich nur
im Zustand der Entspannung lösen;
Schlinge für Schlinge öffnet sich
- wie größer werdende Kreise.
Lösung, Auf-Lösung, Er-Lösung
in einer Situation der Spannungsfreiheit,
unter Rahmenbedingungen, die nicht vom Zug-Zwang bestimmt sind
.Auch beim Lösen wird Kraft ausgeübt, gezogen,
aber an den richtigen Stellen, die Lösung ermöglichen.
Das ist es, was wir brauchen:
Freiräume der Spannungsfreiheit schaffen statt neue Zugzwänge
zu etablieren,
Lösung statt Spannung zu erzeugen,
Fesseln öffnen statt neue Bänder anzulegen,
Muße ermöglichen statt den Zeitdruck zu übernehmen,
Möglichkeiten eröffnen statt Wege vorzugeben,
Verschlingungen lockern statt Knoten festzuzurren,
Ansatzpunkte zum Knoten-Losen aufzeigen,
Kreise weiten, Luft geben,
Lebens-Spanne verbreitern.
Musik
Lesung: Mk.. 1,21-28
Hören wir nun eine Geschichte aus dem Markusevangelium, an der deutlich
wird, wie lösend, wie er-lösend Jesu Wort auf Menschen gewirkt
hat. Aus dem heiligen Evangelium nach Markus. In Kafarnaum ging Jesus
am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren sehr betroffen
von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht
hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge saß ein Mann,
der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was
haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns
ins Verderben zu stürzen? Ich weiß wer du bist: der Heilige
Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlaß ihn! Der unreine
Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei.
Da erschraken alle, und einer fragte den anderen: Was hat das zu bedeuten?
Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die
unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich
rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.
Kurze Auslegung
Liebe Gemeinde Markus l. 21-28 So wie die Babylonier oder die Ägypter,
glaubten auch die Israeliten an Dämonen. Immer wieder haben sie erfahren,
dass Leben und Besitz durch letztlich unerklärliche Mächte jederzeit
angegriffen und vernichtet werden konnten. Auch für Jesu Zeitgenossen
sind Dämonen, jene dunklen, zerstörerischen Mächte, vor
denen kein menschliches Leben sicher ist, und aus deren Bann sich die
Betroffenen nicht selber befreien können. Als aufgeklärte Menschen
tun wir uns schwer mit solchen Vorstellungen. Doch -sind wir deshalb frei?,
frei von Erfahrungen, dass unser Leben bedroht ist? Erleben nicht auch
wir uns als ausgeliefert? Spüren wir nicht oft genug unsere Ohnmacht,
unsere Unfähigkeit etwas zu ändern? Wir sprechen immer noch,
auch ohne Dämonenglauben, von Menschen die "besessen" sind: etwa
von ihrer Arbeit, vom Streben nach Reichtum, vom Streben nach Macht und
Ehre. Und - wie viele Menschen gibt es, die nicht leben und handeln, wie
sie selber möchten, sondern so, wie es ihnen beigebracht, aufgezwungen
worden ist vielleicht in der Familie, vielleicht in der Schule oder im
Beruf, oder in der Kirche? Und - bringen nicht Zeitgeist, oder öffentliche
Meinung Menschen oft schwer in Bedrängnis?:
- mir fällt da z.B. die
Werbung ein, der man sich praktisch nicht entziehen kann, weder in den
Medien noch unterwegs, auf der Straße,
- auch weiß jeder, welche
Anziehungskraft, welche Macht das Fernsehen ausübt,
- oder die vielen Freizeitangebote,
die eigentlich verhindern, in der Freizeit wirklich einmal Zeit zu haben,
- oder unser Wirtschaftssystem,
das nur funktioniert durch immer mehr Wachstum -
stecken wir da nicht in einem
Teufelskreis? Mir scheint- die Dämonen unserer Zeit haben nur andere
Namen.
Der Dämon, der unreine
Geist, das ist die Unfreiheit, in der ein Mensch lebt. Der unreine Geist,
das ist die Unfähigkeit, oder die Unmöglichkeit selber zu entscheiden,
sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Der unreine Geist, das ist die
Angst davor, die eigene Freiheit und die der anderen zuzulassen. Der Mann
in der Synagoge hat es begriffen. - Getroffen von Jesu Wort erkennt er,
was ihn daran hindert zu leben, was ihn unfrei macht, was ihn einengt.
Vielleicht sind auch uns solche Erfahrungen nicht fremd, dass wir, getroffen
von Jesu Wort erkennen, wo in unserem Leben der Knoten drin ist, welche
Einflüsse uns lenken, welchen Diktaten wir uns beugen, von was wir
beherrscht und bewegt werden. Und vielleicht geht es uns dann so, wie
dem Mann in der Synagoge, dass wir hin und hergerissen sind, weil wir
Angst vor den Veränderungen haben, die uns zugemutet werden.
Die Leute in Karfanaum sagen
von Jesus: er spricht wie einer, der Vollmacht hat; sie spüren ganz
einfach: da redet einer, der sie ernst nimmt in ihren Nöten, ihren
Bedrängnissen und Ängsten - und der ihnen ganz neue Lebensmöglichkeiten
aufzeigt. Sie staunen und sagen: er gebietet sogar den bösen Geistern,
was nichts anderes heißt als: Jesu Botschaft ist durch keine Macht
aufzuhalten. Jesus ermutigt zum Leben, zum Leben in Freiheit. Er holt
Menschen heraus aus ihrer Bequemlichkeit, ihrem Egoismus, ihren Belastungen
und Zwängen. In Freiheit zu leben kann aber auch Angst machen: denn
wir können niemandem die Schuld zuschieben, wenn etwas schief geht;
wir sind für unser Tun, für unsere Entscheidungen selber verantwortlich.
Und es ist möglich, dass wir scheitern. Doch weil Gott uns liebt,
weil er uns annimmt wie ein guter Vater können wir den Weg in die
Freiheit wagen.
Auch wenn wir Rückschläge
erleben, wenn wir versagen, Irrwege gehen, - wenn es uns so geht, wie
den Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste - Gott geht mit uns
- Schritt für Schritt - den Weg ins Leben.
Stille
Lied:
Schuldbekenntnis:
Weil Gott uns liebt, weil er uns annimmt mit unseren Fehlem und Schwächen,
darum können wir offen und ehrlich zu unserem Versagen stehen. Wir
sprechen miteinander das Schuldbekenntnis: (aus dem evangelischem Gesangbuch
Nr. 7 07/1) Barmherziger Gott, wir bekennen, dass wir in Sünde gefangen
sind und uns nicht selbst befreien können. Wir haben gegen dich gesündigt
in Gedanken, Worten und Werken durch das, was wir getan haben, und durch
das, was wir nicht getan haben. Wir haben dich nicht von ganzem Herzen
geliebt, wir haben unseren Nächsten nicht geliebt wie uns selbst.
Bannherziger Vater, vergib uns, erneuere uns und leite uns, dass wir Freude
haben an deinem Willen und auf deinen Wegen der Liebe gehen, damit unser
Leben gelingt. Amen.
Vergebungsbitte
Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er lasse uns die Sünden
nach und führe uns zum ewigen Leben. A. Amen. Friedensgruß:
(Namberger) Wenn wir den Mut haben, in Freiheit aus Gottes Wort zu leben
und die Freiheit des anderen achten, dann kann Friede unter uns werden.
Überlegen wir für uns im Stillen, wo wir in unserem Leben für
Frieden und Gerechtigkeit eintreten können. -Stille-Gott ist unser
Friede und unsere Versöhnung und er will, dass auch wir miteinander
versöhnt sind. So wollen wir uns gegenseitig annehmen mit unseren
Schwächen und Belastungen und einander beistehen. Knoten zu lösen.
Als Zeichen dafür tauschen wir mit unserem Nachbarn die Kordel aus.
Der Friede sei mit euch. A. Und mit deinem Geiste.
Schlußgebet:
Lasset uns beten! Gütiger Gott, du hast uns aufgerichtet. Gib uns
den Mut, aufgerichtet zu leben, als aufrechte Menschen den Alltag zu bewältigen.
Gib uns die Kraft, weiterzugeben, was wir empfangen haben, und andere
aufzurichten. Darum bitten wir dich, durch Jesus unseren Herrn und Bruder.
A. Amen.
Vater unser gesungen
Segen:
Der Herr sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen. Der Herr sei neben
dir, um dich in die Arme zu schließen und dich zu schützen.
Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren, wenn andere über dich
herfällen. Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst.
Der Herr sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist. Der
Herr sei über dir, um dich zu segnen. So segne uns alle der gütige
Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. A. Amen. (aus dem evangelischen
Gesangbuch Nr.902/2)
Texte
früherer Bußgottesdienste
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