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Mit der Bibel wandern bei uns dahoam
Thema: Wohin ist Gott ?

26. Mai 2007:
Treffen vorm Wirt in Asbach (Altomünster); um halb eins geht's los

Durch die Senke Richtung Arnberg. Bei der Brücke:

1. Station

Da geht's einem gut, und es könnte so bleiben; plötzlich kommt ein Schlag, der einen umwirft. Von heut auf morgen ist das Leben ganz anders. Was einem wichtig war, ist zerstört, menschliche Beziehungen, Gesundheit, Vermögen. Die zerstörende Kraft kann im Leben ganz unterschiedlich zuschlagen, und jeder empfindet sie anders. Zerstörende Kräfte können schon ganz früh zuschlagen, wenn ein Kind in schlechte Verhältnisse hineingeboren wird, die ihm den Lebensmut nehmen, ihm keine Lebenschance geben. Die Zerstörung kann schleichend kommen oder schlagartig. Im Ergebnis ist es immer dasselbe: die Hoffnung von einem Leben, das gelingt, geht nicht auf. Im Buch Hiob wird eine solche Situation erzählt, ganz drastisch zugespitzt, damit die Wucht des Schlages ohne Wenn und Aber deutlich wird.

Lesung Kap1, 1 - 3, 13 - 22
Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Hiob. Dieser Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse. Sieben Söhne und drei Töchter wurden ihm geboren. Er besaß 7000 Stück Kleinvieh, 3000 Kamele, 55 Joch Rinder und 500 Esel, dazu zahlreiches Gesinde. An Ansehen übertraf dieser Mann alle Bewohner des Ostens. Nun geschah es eines Tages, dass seine Söhne und Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aßen und Wein tranken. Da kam ein Bote zu Hiob und meldete: Die Rinder waren beim Pflügen und die Esel weideten daneben. Da fielen Sabäer ein, nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten. Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Feuer Gottes fiel vom Himmel, schlug brennend ein in die Schafe und Knechte und verzehrte sie. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Die Chaldäer stellten drei Rotten auf, fielen über die Kamele her, nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten. Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Deine Söhne und Töchter aßen und

Jean Fouquet, Hiob und seine Freunde (1452-60)
tranken Wein im Haus ihres erstgeborenen Bruders. Da kam ein gewaltiger Wind über die Wüste und packte das Haus an allen vier Ecken; es stürzte über die jungen Leute und sie starben. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten. Nun stand Hiob auf, zerriß sein Gewand, schor sich das Haupt, fiel auf die Erde und betete an. Dann sagte er: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn. Bei allem sündigte Hiob nicht und äußerte nichts Ungehöriges gegen Gott. Und es kommt noch schlimmer: Er kriagt an Aussatz; seine Frau lacht ihn aus, stellt ihn als frommen Deppen hin.

Auslegung
Da gibt es einiges zu erklären, an das man gar nicht denkt, wenn man den Text einfach so liest. Das Land Uz: eine blühende Oase in der Wüste, also ein Bild fürs Paradies mitten im Chaos. Hiob lebt dort noch. Er ist sozusagen - anders als Adam und Eva - noch im Paradies; er ist aus dem Vertrauen auf Gott nicht herausgefallen, er ist oiwei no ganz bei Gott; das sagen auch die vier lobenden Worte. Vier heißt umfassend. Wenn er also viermal gelobt wird, heißt das, er ist durch und durch ein Mann Gottes.

Hiob: auf Deutsch: Wohin ist Gott? Das ist das Thema des ganzen Buches. Wohin ist Gott in diesem Unglück? Gott war doch gerade noch bei Hiob. 7 Söhne: 7 = Himmel und Erde sind vereint, eine vollkommene Schar (Eli scheba = Gott ist sieben = vollkommen: Elisabeth) 3 Töchter: Gott und Mensch sind vereint (Himmel) = vollendete Liebe 7000, 3000: auch sein Vermögen ist groß und vollkommen (7) und er geht gut damit um (3) Übertraf alle Bewohner des Ostens: Osten = Anfang = alles was vorher war. Er übertraf alle Vorfahren. So oan wia den hat es noch nie gegeben.

Jetzt kommen die Schläge, die Erzählung macht es dramatisch: noch ist der eine am Reden, da kommt schon ein anderer: es kommt Schlag auf Schlag, knüppeldick. 2 Völker, 2 Naturereignisse fallen über Hiob her, also die Aggression von Mensch und Natur. 4 Ereignisse sind es: vier = umfassend, der ganze Lebensbereich: es kommt von allen Seiten, das Chaos bricht aus. Aussatz: hinausgeworfen aus der menschlichen Gesellschaft. Erklärung wichtig, damit man sieht, wie viel Kraft in dem Text steckt. Weggedanke Es hat hoffentlich noch keinen von uns so getroffen wie den Hiob. Die Geschichte ist dichterisch-dramatisch überspitzt. Aber wahrscheinlich hat jeder von uns in seinem Leben Schläge wegkriagt, die ihn niedergeschmettert haben, oder er kennt in seiner Umgebung solche Menschen. Jetzt laden wir Euch ein zu einer ganz schwierigen Wegstrecke, darüber nachzudenken, wo schlagartig oder schleichend Lebensfreude, Lebenshoffnung getroffen worden sind.

Weiter durch die Senke ins "Himmelreich" und abbiegen in Richtung Haag, bei der Weide:

 

2. Station

Lesung Kap. 1, 6 - 12
Hiob heißt: Wohin ist Gott? Oder anders gefragt, woher kommt das Ganze? Wie kann es Hiob, der doch ganz bei Gott ist, so "dabräsln"? Ein späterer Redakteur wollte das erklären und hat in die Hiob-Geschichte, also in den ursprünglichen Text vor das Unglück des Hiob noch eine zusätzliche Geschichte eingeschoben. Diese Geschichte, die später hineingeflickt worden ist, will zeigen, was Gott damit zu tun hat.

Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan. Der Herr sprach zum Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her. Der Herr sprach zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Hiob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde, so untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse. Der Satan antwortete dem Herrn und sagte:Geschieht es ohne Grund, dass Hiob Gott fürchtet? Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet: sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus, und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen. Der Herr sprach zum Satan: Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand nicht aus! Darauf ging der Satan weg vom Angesicht des Herrn.

Auslegung
Man muß sich die Geschichte als orientalische Theaterbühne vorstellen: Der Herrscher ist von seinem Hofstaat umgeben, da sind auch Querköpfe darunter, Satan. Satan kommt von hebräisch schlagen. Schlagen kann auch gut sein, z.B. wenn man damit eine Gefahr abwehrt. Satan ist ursprünglich nicht der böse Widersacher Gottes, sondern Symbol für die unbequeme, unbegreifliche Seite Gottes. Auch Satan untersteht der Autorität Gottes (Hofstaat). Die Menschen wollen natürlich das Schlimme nicht mit dem gütigen Schöpfergott verbinden. So was Schlimmes kann doch der gute Gott nicht zulassen. Ja woher kommt das Böse? Vom Satan natürlich, song d`Leit. Auf diese volkstümliche Meinung geht der Erzähler ein und führt die Figur des Satan auf die Bühne. Aber er gibt der Figur eine unerwartete Richtung. Satan gehört zum Hofstaat Gottes, irgendwie ist Gott für die Sache verantwortlich. Gott hat damit zu tun.

Die Bibel bleibt standfest: Ob ohne oder mit diesem redaktionellen Einschub mit der Himmelsbühne, oans ist klar: Hinter allem steht letztlich Gott, wir kommen im Guten und im Schlimmen um Gott nicht herum. Gott ist nicht so einfach durchschaubar. Diesen Einschub mit der Himmelsbühne hätte es nicht gebraucht. Aber er macht eins klar. Irgendwie steht hinter allem Gott.

Weggedanke

Wenn wir jetzt weiter gehen, sind auch bereits drei Freunde zu Hiob unterwegs, die gemeinsam mit Hiob der Frage auf den Grund gehen wollen: was steht dahinter, wia hot des ois mit Gott zum doa?

Über die Wiese hinauf zum Jägerstand:

3. Station

Lesung Kap. 2, 11 - 13
Die drei Freunde Hiobs hörten von all dem Bösen, das über ihn gekommen war. Und sie kamen, jeder aus seiner Heimat: Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama. Sie vereinbarten hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten. Als sie von fern aufblickten erkannten sie ihn nicht; sie schrien auf und weinten. Jeder zerriß sein Gewand; sie streuten Asche über ihr Haupt gegen den Himmel. Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte; keiner Sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war.

Auslegung

Die 3 Freunde repräsentieren die Öffentlichkeit. Die Orte, aus denen sie kommen, sind nämlich im Norden, Süden, Osten; Hiob selbst ist im Westen. Im Westen ist biblisch gesehen der Tod. Wenn die drei Freunde aus Norden, Süden, Osten kommen, heißt das, das Leben, das öffentliche Leben nimmt Anteil, d.h. so denka d`Leit, die öffentliche Meinung kommt daher. Was von dieser Anteilnahme zu halten ist, zeigt die spätere Reaktion Hiobs. Aber nichts überhudeln.
Die wenigen Sätze sagen viel über den Umgang mit einem Leidenden aus: Die drei kommen nicht jeder für sich, sie vereinbaren gemeinsam zu gehen. Geht es uns nicht auch so, wenn wir von einem Unglück hören, daß man es sich nicht zutraut, allein hinzugehen; man fühlt sich der Situation nicht gewachsen. Unter mehreren fühlt man sich stärker gegenüber dem Unglück Von ferne haben sie aufgeblickt, geschrieen, geweint, das Gewand zerrissen, Asche gestreut. 4 Tätigkeiten, also eine umfassende Trauer. Asche streuen z.B. erinnert an die Herkunft des Menschen aus Staub. Das ganze ist der Trauerritus einer Gemeinschaft, fest verankert, der einfach fest gefügt so abläuft, wenn man vor einem Unglück sprachlos ist. So stark sind unsere Trauerriten nicht; stark nach außen gerichtete Trauerriten sind wichtig, um

Gerard Seghers (1591-1651)
Hiob mit den drei Freunden und seiner Frau
nach einem Unglück die Sprache wieder zu finden, sie san Hilfe und Stütze, wenn man vor einem Unglück sprachlos ist. Dann sitzen die Freunde 7 Tage und Nächte bei Hiob. 7 -s.o.- ist eine vollkommene Zeit. D.h. wer trösten will, muß dafür Zeit haben, viel Zeit. "keiner sprach ein Wort mit ihm", wer trösten will, muß mit der Sprachlosigkeit des Betroffenen solidarisch sein, der darf nicht das Plappern anfangen. Die 3 Freunde überfallen den Hiob nicht mit einem Schwall von Trostworten wie "wead scho wieder wean" und "Kopf hoch" und " es draht se scho wieder" und ähnlich nutzlosen Ratschlägen, sondern sie halten mit dem Betroffenen die Sprachlosigkeit vor dem Unglück aus. Und sie respektieren eines. Der Betroffene, der Trauernde hat als erster das Recht, daß er über sein Unglück reden darf. Und de andern hoitn s`Mai und horcha zua.

Weggedanke
Der Trauernde hat als erster das Recht, über sein Unglück zu reden. Ich glaub, dass es dieser Gedanke aus dem Hiob-Buch verdient, dass wir mit ihm ein Stück weiter gehen. Rund um uns werden wir immer wieder auf Unglück treffen. Und da sollten wir daran denken, der Betroffene hat als erster das Recht zu reden, ganz auszureden, ganz auszureden.

Über die Anhöhe hinauf mit Blick auf Haag und halbwegs hinunter.

 

4. Station

Lesung Kap 3, 1 - 13
Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Hiob ergriff das Wort und sprach: Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: ein Mann ist empfangen. Jener Tag werde Finsternis, nie frage Gott von oben nach ihm, nie leuchte über ihm des Tages Licht. Einfordern sollen ihn Dunkel und Finsternis, Gewölk über ihn sich lagern, Verfinsterung am Tag mache ihn schrecklich. Jene Nacht, das Dunkel raffe sie hinweg, sie reihe sich nicht in die Tage des Jahres, sie füge sich nicht zur Zahl der Monde. Ja, diese Nacht sei unfruchtbar, kein Jubel komme auf in ihr. Verwünschen sollen sie die Verflucher der Tage, die es verstehen, den Leviathan zu wecken. Verfinstert seien ihrer Dämmerung Sterne; sie harre auf das Licht, jedoch umsonst; die Wimpern der Morgenröte schaue sie nicht. Denn sie hat die Pforten an meiner Mutter Leib nicht verschlossen, nicht das Leid verborgen vor meinen Augen. Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich? Weshalb nur kamen Knie mir entgegen, wozu Brüste, dass ich daran trank? Still läge ich jetzt und könnte rasten, entschlafen wäre ich und hätte Ruhe.

Die Klage geht noch weiter, das könnt Ihr selber nachlesen. Auslegung Hoffentlich habt Ihr ein bisserl Geduld mitgebracht, die Auslegung geht nämlich gar nicht so schnell. Das deuten schon die ersten Sätze an: Tat den Mund auf, ergriff das Wort und sprach. Warum so umständlich geschrieben? Wen es hart getroffen hat, für den ist es narrisch schwer, die Sprache wieder zu finden. Es ist aber wichtig, übers Unglück zu reden, denn das ist der erste Schritt, damit man aus der Verzweiflung herauskommt, damit man ins Leben zurückfindet. Da ist die Bibel ganz einfühlsam: "er tut den Mund auf", aber es kommt noch nichts heraus. Es fällt furchtbar schwer, mit dem Reden anzufangen nach so einem Unglück. Und wos sogt da Hiob eatz? "und verfluchte seinen Tag" sein Tag, das ist seine Existenz, daß es ihn gibt. Wenn Hiob seinen Tag verflucht, dann ist es ein Aufschrei, daß er nicht da sein möchte. Oft fängt das Reden nach so einem Schicksalsschlag nur mit einem Stammeln an; der hebräische Urtext dieser Hiob-Stelle zeigt das deutlicher als die gut lesbare deutsche Übersetzung, weil der Urtext in einem ganz schwierigen, holprigen Satzbau geschrieben ist.

Unbekannter Meister, Szenen aus dem Leben Hiobs,
1480-90

Und jetzt kommt ein so schwieriger Text, dass ich auch nicht weiß, ob es verständlich wird:
"Ausgelöscht sei der Tag der Geburt, die Nacht der Empfängnis"
Tag und Nacht erinnern an die Schöpfungsgeschichte. Gott holt aus der Finsternis, aus dem Chaos, das Licht heraus und es gibt Tag und Nacht. Das ist jetzt für Hiob umgedreht, Tag und Nacht sind weg, die Finsternis herrscht wieder, das Chaos ist wieder da, die Schöpfung steht auf dem Kopf, sie ist umgedreht, so gottverlassen empfindet Hiob seine Lage. Der Leviathan ist geweckt, also der Seedrache, ein Symbol für die chaotische Urflut. In der Genesis hat Gott die Urflut geschieden und Himmel und Erde geschaffen. Für Hiob ist das zusammengebrochen, es herrscht wieder Leviathan, die chaotische Urflut ist wieder da, der Zustand vor der Schöpfung. Die Morgenröte soll es nicht mehr geben, also die Hoffnung ist zerstört. Alles was im menschlichen Leben hält, ist zerrissen Eines wird jetzt hoffentlich ganz klar, Hiob ist kein Dulder, Hiob ist ein Klagender. Es ist unmenschlich, einen Menschen im Unglück damit zu trösten, dass man das halt dulden muß. Das Buch Hiob protestiert lauthals gegen diese röm.-kath.Dulderideologie und gibt dem Menschen das Recht auf Klage. Ganz am Ende bestätigt Gott dies ausdrücklich.

Hiob ist ein Klagender. Klage ist ganz wichtig, sie gehört zur Substanz des Menschen. Klage ist bereits Bewegung, dass man aus dem Schweigen heraustritt ist unverzichtbar, um die Krise zu bewältigen, Klage ist der erste Schritt zurück ins Leben. Dulden ist der Weg in die Erstarrung. Klage ist Anklage und Widerstand. Nicht dass man unbedingt Gott anklagt, sondern die Situation. Daß man die Sache namhaft macht, das was einem geschehen ist, anklagt. Also Protest gegen die Gewalt, gegen das Unglück. Aus dem Protest wächst wieder Lebenskraft. Klage ist Gebet. Da braucht es keine Formulierung, keinen Gottes- oder Heiligennamen. Der bloße Schrei des bedrängten Menschen ist Gebet. Der Satz is ned von mia, aber er hot me beeindruckt, drum sog en nomoi. Der bloße Schrei des bedrängten Menschen ist Gebet. So ein Schrei aus der Bedrängnis ist viel gottnäher als ein wohl formuliertes Sonntagsgebet, das in das tägliche Menschenleben gar nicht hineingreift. Dieser Klageschrei geht unweigerlich auf Gott zu, wohin ist Gott? Da setzt die Suche nach Gott ein. Dieser Schrei - wohin ist Gott? - ist gelebter Glaube. Hiob klagt mit so drastischen Formulierungen, dass man es kaum überbieten kann. Als wohlerzogener Christ erschrickt man direkt, wia dea fluacht. Und Gott nimmt des ois o. Er akzeptiert es, daß der Mensch in der Not die Kontrolle über sich verliert, er soll alles hinausschreien dürfen.

Weggedanke
Wenn wir selber oder Menschen um uns in Not sind: die Klage ist der zentrale Schritt, um ins Leben zurückzufinden. Nicht das Dulden, sondern die Klage, in der alles hinausgeschrieen werden darf. Das kann auch ein innerer Schrei sein, nicht unbedingt akustisch.

Weiter den Flurbereinigungsweg bis zur Wasserlacke.

5. Station

Lesung Kap. 4, 1 - 9, 17 - 21
Jetzt kommt eine geradezu endlos lange Passage von Reden und Gegenreden. Jeder der 3 Freunde redet 3 mal. Drandenken an den Anfang: 3 hat mit Vollendung zu tun. 3 mal 3 ist die absolut vollendete Weisheit. Wenn jeder der 3 Freunde 3 mal redet, dann meinen sie, dass sie die vollendete Weisheit verkünden, die für den gesamten Erdkreis gilt und über die hinaus es nichts mehr gibt. Das meinen die drei Freunde jedenfalls, also die öffentliche Meinung.
Hoffentlich wird das Ganze verständlich, wenn die langen Reden in ein paar Sätzen zusammengefasst werden. Da antwortete Elifas von Teman und sprach: Versucht man ein Wort an dich, ist es dir lästig? Doch die Rede aufzuhalten, wer vermag es? Sieh, viele hast du unterwiesen und erschlaffte Hände stark gemacht. Dem Strauchelnden halfen deine Worte auf, wankenden Knien gabst du Halt. Nun kommt es über dich, da gibst du auf, nun fasst es dich an, da bist du verstört. Ist deine Gottesfurcht nicht deine Zuversicht, dein lauterer Lebensweg nicht deine Hoffnung? Bedenk doch! Wer geht ohne Schuld zugrunde? Wo werden Redliche im Stich gelassen? Wohin ich schaue: wer Unrecht pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch. Durch Gottes Atem gehen sie zugrunde. Sie schwinden hin im Hauch seines Zorns. Ist wohl ein Mensch vor Gott gerecht, ein Mann vor seinem Schöpfer rein? Selbst seinen Dienern traut er nicht, zeiht seine Boten noch des Irrtums. Wie erst jene, die im Lehmhaus wohnen, die auf Staub gegründet sind; schneller als eine Motte werden sie zerdrückt. Vom Morgen bis zum Abend werden sie zerschlagen, für immer gehen sie zugrunde, unbeachtet. Wird nicht das Zelt über ihnen abgebrochen, so dass sie sterben ohne Einsicht?

Auslegung
Die erste Rede des Freundes beginnt sehr zartfühlend. "Versucht man ein Wort an dich, ist es dir lästig?" Er fragt also den Hiob ganz behutsam, ob man mit ihm schon reden kann. Aber dann kommt der erste Hammer: "Viele hast du unterwiesen, jetzt kommt es über dich." Also praktisch "Arzt heile dich selbst." Der Freund steht eigentlich daneben. Es ist halt ein Unterschied, ob man die Last auf den eigenen Schultern spürt oder nur so nebenher geht und gscheit daher redet. Der Freund geht nicht auf Hiob ein, sondern er hat seine eigene Vorstellung. Er geht an Hiobs Unglück vorbei und kommt mit seiner vorgefertigten Ideologie daher: Dem Guten geht's gut, dem Schlechten geht es schlecht. Irgendwo, lieber Hiob, stimmt bei dir etwas nicht. Denk doch nach, irgendwo hast du einen Fehler. Noch genauer gesagt: Jeder hat einen Fehler, weil er ein Geschöpf ist, und um diesen Fehler abzubüßen, schickt ihm Gott das Leiden. Eine grausame Gottessicht, denn dann hätte Gott den Menschen nur dazu geschaffen, dass er leiden muß. Das nimmt jeden Mut und Lebenswillen. Der Freund führt weiter aus: "Leg deinen Fall Gott vor, schau, dass du mit Gott ins reine kommst und es wird dir gut gehen. So ist es, Punkt. Denkts an den Anfang: Hiob lebt in Uz, im Paradies, also an ihm ist nichts auszusetzen. Der Freund mit seinem "dem Guten geht's gut, dem Schlechten schlecht" hilft Hiob nicht. Hiob protestiert.

weitere Lesung Kap. 6, 2,12,13,26
Ach würde doch mein Gram gewogen, legte man auf die Waage auch mein Leid. Ist meine Kraft denn Felsenkraft, ist mein Fleisch denn aus Erz. Gibt es keine Hilfe mehr für mich, ist mir jede Rettung entschwunden? Spricht der Verzweifelte in den Wind? Habt die Güte, wendet euch mir zu. Immer wieder aufs Neue klagt Hiob sein Leid und in allen neun Reden bekommt er immer wieder dieselbe Antwort, du bist selbst schuld, das ist die gerechte Strafe Gottes, "die Zucht des Allmächtigen verschmähe nicht", sei froh, daß Gott dich züchtigt. Die 3 hauen 3 mal jeder in dieselbe Kerbe. 9, sie meinen, daß sie vollkommen Recht haben. Und Hiob redet weiter dagegen: Kap. 12,2 13,2-7,18 16,4 Wahrhaftig, ihr seid besondere Leute, und mit euch stirbt die Weisheit aus. Was ihr wißt, weiß ich auch, ich falle nicht ab im Vergleich mit euch. Doch ich will zum Allmächtigen reden, mit Gott zu rechten ist mein Wunsch. Ihr aber seid nur Lügentünchner, untaugliche Ärzte alle. Daß ihr endlich schweigen wolltet, das würde Weisheit für euch sein. Hört doch meinen Rechtsbeweis, merkt auf die Streitreden meiner Lippen. Wollt ihr für Gott Verkehrtes reden und seinetwegen Lügen sprechen? Seht, ich bring den Rechtsfall vor; ich weiß, ich bin im Recht. Auch ich könnte reden wie ihr, wenn ihr an meiner Stelle wäret, schöne Worte über euch machen und meinen Kopf über euch schütteln.

Hiobs Plagen
Unterweserraum, frühes 16. Jh

Hiob fühlt sich nicht verstanden; wie es dem Leidenden wirklich geht, weiß nur der, der es selber aushalten muß: Kap. 19, 23-24 Daß doch meine Worte geschrieben würden, in einer Inschrift eingegraben mit eisernem Griffel und mit Blei, für immer gehauen in den Fels. In den Fels gehauen, vielleicht liest irgendjemand in irgendeiner fernen Zeit diese Felsinschrift und vielleicht versteht irgendjemand in fernen Zeiten mein Leid. Diese öffentliche Meinung versteht mein Leid nicht. Aber unbeirrbar hält Hiob an Gott fest: Kap. 19,25-27 Doch ich, ich weiß, mein Erlöser lebt, als letzter erhebt er sich über dem Staub. Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen. Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd. Es erhebt sich ein Erlöser, kein anderer Gott, sondern Gott wird sein verborgenes Gesicht zeigen. Da ist bei Gott noch etwas anderes, eine verborgene Wirklichkeit, die mir Kraft geben wird. Aus dem Staub, dem Flüchtigen, wird Gott Neues schöpfen. Gott nimmt das kleinste Staubkorn ernst, er laßt nichts fallen. "als letzter erhebt er sich über dem Staub", nachdem alles in Staub gesunken ist, genau da ist Gott, da wird sich Gott darüber erheben und aus dem Staub die Schöpfung wieder beleben. Er wird neuen Lebensraum schaffen. "Ohne meine Haut": Ohne Haut, der Aussätzige ist aus allem hinausgeworfen. Trotzdem "werde ich Gott schauen":
Hiob lasst ned locker und möcht wissen, mit wem er es bei diesem Leid zu tun hat, er will die Konfrontation, was ist das für ein Gott? Ich möchte ihn zur Rechenschaft stellen. "meine Augen werden ihn sehen" Er will mit seinem Gott aneinander geraten. Über viele Seiten gehen diese Reden und Gegenreden, in immer neuen Formulierungen geht es um die zentrale Frage: Wer ist schuld am Leid? Gehts dem Guten gut, dem Schlechten schlecht? Das stimmt doch nicht, schaut doch die Welt an, protestiert Hiob: …und er ist ein Beispiel für viele. Er lebt in Uz, bei Gott. Er is doch koa Schlechter und trotzdem geht's eam schlecht. Kap. 21, 23-25 Der eine stirbt in vollem Glück, ist ganz in Frieden, sorgenfrei. Seine Schenkel sind voll von Fett, getränkt mit Mark sind seine Knochen. Der andere stirbt mit bitterer Seele und hat kein Glück genossen.

Weggedanke
Wir sind an einer unausweichlichen, zentralen Lebensfrage angekommen. Wenn sich im Buch Hiob dies über Seiten und Seiten hinzieht, wird eines deutlich: Da gibt's keine schnelle Antwort aufs Leid, kein fertiges Rezept. Das ist ein langer, vielleicht lebenslanger Weg, ein immer neues Grübeln, Fragen, Hoffen Suchen. Und so suchen wir jetzt den Weg, auf dem wir am Ende vielleicht doch vom Buch Hiob eine Wegweisung bekommen. Wenn der Weg jetzt vielleicht a wenig beschwerlich und dahaut is, so soll des auch deutlich macha, daß de Anwort aufs Leid koa leichte Sach is.

Ohne Weg über die Böschungen hinauf zur Straße und gleich beim Gehölz in den Feldweg Richtung Lauterbach abbiegen bis zum Aussichtspunkt bei der Wegbiegung hinunter nach Lauterbach:

 

6. Station

Die Gottesreden - Lesung und Auslegung
Gleich vorweg: In der Gottesrede am Schluß, wird eines klar: Hiob hat recht geredet: Kap.42, 7 Als der Herr diese Worte zu Hiob gesprochen hatte, sagte der Herr zu Elifas von Teman: mein Zorn ist entbrannt gegen dich und deine beiden Gefährten; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. Hiob hat recht geredet mit seiner Klage. Die Freunde liegen nicht nur falsch, sie liegen so brutal grundfalsch, dass der Zorn Gottes gegen sie entbrannt ist. Gott ist wütend auf ihre billigen Erklärungen, dass es dem Schlechten halt schlecht gehe und irgendwo habe Hiob halt was falsch gemacht, er werde zu Recht gezüchtigt, und er solle es halt dulden. Und für irgendetwas wird dieses Leid schon gut sein. Aber was ist jetzt richtig?
Kap. 38, 1-5, 8-12, 16-17, 22, 24, 29, 35 Kap. 40, 1-2
Da antwortete der Herr dem Hiob aus dem Wettersturm und sprach: Wer ist es, der den Ratschluß verdunkelt mit Gerede ohne Einsicht? Auf gürte deine Lenden wie ein Mann: Ich will dich fragen, du belehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt. Wer verschloß das Meer mit Toren, als schäumend es dem Mutterschoß entquoll, als Wolken ich zum Kleid ihm machte, ihm zur Windel dunklen Dunst, als ich ihm ausbrach meine Grenze, ihm Tor und Riegel setzte und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter; hier muß sich legen deiner Wogen Stolz? Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, dem Frührot seinen Ort bestimmt? Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen, hast du des Urgrunds Tiefe durchwandert? Haben dir sich die Tore des Todes geöffnet, hast du der Finsternis Tore geschaut? Bist du zu den Kammern des Schnees gekommen, hast du die Kammern des Hagels gesehen? Wo ist der Weg dorthin, wo das Licht sich verteilt, der Ostwind sich über die Erde zerstreut? Aus wessen Schoß ging das Eis hervor, des Himmels Reif, wer hat ihn geboren? Entsendest du die Blitze, dass sie eilen und dir sagen, wir sind da?

Gott antwortet aus dem Wettersturm: Das hätte ich nicht erwartet, dass Gott als gewaltig Allmächtiger gegen den Ohnmächtigen auftritt, sieht er denn die Not des Hiob nicht? Ja so verkehrt kann man was verstehen. Wettersturm. Die ganze Natur ist in Bewegung, wenn Gott zum leidenden Hiob spricht, alles nimmt Anteil; Gott im Wettersturm ist der Gott der Schöpfung. Hiob soll wissen, er begegnet dem Gott der Schöpfung, der auch sein Leben neu schaffen kann. Gott antwortet mit Gegenfragen. Er führt den Menschen auf seine Geschöpflichkeit zurück. Da gibt's keine gleiche Augenhöhe, der Mensch wird Gott nie ergründen. Gott ist der Schöpfer, der Mensch das Geschöpf.

Erst wenn Hiob das begriffen hat, dass er Gott mit menschlicher Weisheit, mit Rechtsdenken nicht begreifen kann, kommt er einer Antwort näher. Mit seiner Naturrede zeigt Gott, er hält die ganze Lebenswirklichkeit zusammen, er ist solidarisch mit seiner Schöpfung, und mitten in dieser Schöpfung ist der Mensch. Gott ist solidarisch mit dem Menschen. Gott ist zu den Quellen des Meeres gekommen, hat des Urgrunds Tiefe durchwandert. Das sind Symbolworte für das Chaos. Gott kennt das Chaos, hat das Chaos durchwandert und hat daraus Lebensraum geschaffen. Er ist mit dem Chaos vertraut, weiß wie diesem Menschen zumute ist, über den das Chaos hereingebrochen ist. Der angeklagte Gott weiß um die Not des Betroffenen, denn er ist durch das Chaos hindurchgegangen.

Kap. 38, 36,39,41 Kap 39, 1,9,19,26,27


Hiob und seine Frau,
Albrecht Dürer, ca. 1504
Wer verlieh dem Ibis Weisheit oder wer gab Einsicht dem Hahn? Erjagst du Beute für die Löwin, stillst du den Hunger der jungen Löwen? Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen schreien zu Gott und umherirren ohne Futter? Kennst du der Steinböcke Wurfzeit, überwachst du das Werfen der Hirsche? Wird dir der Wildstier dienen wollen, bleibt er an deiner Krippe zur Nacht? Gabst du dem Roß die Heldenstärke, kleidest du mit einer Mähne seinen Hals? Kommt es von deiner Einsicht, dass der Falke sich aufschwingt und nach Süden seine Flügel ausbreitet? Fliegt auf dein Geheiß der Adler so hoch und baut seinen Horst in der Höhe?
Gott führt dem Hiob einen ganzen Tierpark vor. Wird Hiob da mit einer belanglosen Tierkunde verspottet? Ist das nicht unmoralisch, daß Gott dem leidenden Hiob einige Stunden Naturkundeunterricht gibt. Also es ist schon großartig, daß Gott mit dem Menschen überhaupt redet, der Schöpfer mit seinem Geschöpf. 12 Tiere führt Gott auf, 12 - das ist die ganze Tierwelt, eigentlich das ganze Leben in allen Schattierungen. Denn die Tiere sind Symbole, nicht die biologischen Viecher sind gemeint. Die Tiere meinen eine geheimnisvolle Wirklichkeit. Der Ibis steht für die Weisheit, der Hahn für die Einbindung des Menschen in die Natur (Wetter), der Löwe für die chaotische Wüste, der Steinbock ist Repräsentant der Gefahr. Gemeint ist mit diesen Tiersymbolen: Jedes Lebenszeichen hat göttlichen Ursprung, jedes kleinste Lebenszeichen ist von Gott eingerichtet. An dieser Schöpfung hat der Mensch teil, da ist Gott gegenwärtig. In jeder schwachen Lebensäußerung ist Gott, er sitzt sogar mit Hiob in der Asche.

Und Gott führt in seiner zweiten Gottesrede aus, wie gewaltig und schrecklich das Nilpferd ist, Symbol für die chaotische Lebensgefahr schlechthin. Es ist von Gott geschaffen, von Gott beherrscht. Gott ist Herr über das Chaos. Er kennt das Chaos. Das alles ist noch keine rezeptartige Antwort. Gott bleibt geheimnisvoll und ist vom Menschen nicht zu begreifen. Die Gottesrede demonstriert, daß hinter allem Gott steht. Und das heißt, daß Gott sich auch dem erbärmlichen Leben zuwendet, daß hinter jeder schwachen Lebensäußerung, do wo`s oam sauschlecht geht, daß do Gott steht. Hiob beginnt zu begreifen. Kap. 42,5-6 Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche. Und was heißt das konkret? Warum atmet Hiob auf? Das ist der Schlüssel für das ganze Fragengebirge, das wir bis jetzt vor uns hergeschoben haben. Daß Gott auch im Leid dabei ist, ist schon mit den Naturreden gesagt. Aber das ist nicht alles. In den Naturreden steckt noch mehr: Gott holt den Blick des Hiob aus dem Leid heraus, er wendet den Blick des Hiob auf die Schöpfung. Auf die Schöpfung, d.h. Gott, der Schöpfergott aus dem Wettersturm, schafft immer wieder neuen Lebensraum, Gott stellt nicht den alten Zustand vor dem Unglück wieder her. Was passiert ist, ist passiert. Gott schafft neuen Lebensraum. Wenn Gott den Blick des Hiob auf Chaos und Schöpfung richtet, dann gibt er dem Hiob neue Hoffnung, daß er auch für Hiob in diesem Chaos, in das Hiob gestürzt ist, neuen Lebensraum schaffen wird; neuen wird er schaffen, nicht den alten wieder zurück holen. Dorthin schauen und dorthin gehen, bleibt aber die Aufgabe des Hiob.

Weggedanke

Und jetzt schaung ma weit in die Landschaft, nüber bis Schiltberg und Maria Boaberg, symbolisch dafür, daß in der weiten Schöpfung Gottes auch für uns Lebensräume sind, neue Lebensräume, wo alte zerstört worden sind. Wie wir den Weg zu neuen Lebensräumen finden, zeigt uns der Weg durchs Hiob-Buch mit seiner Trauer, seiner Klage und mit seinem unbeirrbaren Festhalten am Schöpfergott. Dort wo Lebensraum zerstört worden ist, können wir auf den Herrn des Chaos, auf den Schöpfergott im Wettersturm vertrauen, daß er als Schöpfer aus dem Chaos neuen Lebensraum schafft.

Aber nach dort hinschauen müssen wir selber. Das Klagen reicht nicht. Deshalb am Beginn der Gottesrede unmissverständlich die Anrede an Hiob: Ich will dich fragen. Das heißt, jetzt bist du dran, ich schaffe den Lebensraum, aber du musst deinen Blick dahin wenden. Das ist nicht billig zu haben, das kann ein lebenslanger Weg sein. Aber es ist eine lebenslange Hoffnung, daß sich immer wieder ein neuer Lebensraum auftut. Nicht dort, wo der alte zerbrochen ist. Ein neuer Lebensraum wird geschaffen. Und wir sollen uns die Kraft zutrauen, daß wir dort hinschauen und hingehen. Genießts den Ausblick und schöpfts daraus die Hoffnung, daß Gott für jeden von uns neuen Lebensraum schafft, wenn der alte zerbrochen ist.


Gustave Doré (1832 - 1882):
Hiob und seine Freunde

Blick hinüber zum mittelalterlichen Burgstall auf dem Budelberg. Weg hinunter nach Lauterbach und in die Kirche

Schlussgedanke
Der Abschluß des Buches Hiob ist später von einem Redakteur hingepappt worden, der nichts von dem Vorangegangenen begriffen hat: er stellt die Theologie der drei Freunde wieder her, die Gott ausdrücklich verurteilt hat. Der spätere Redakteur will, dass der frühere Zustand ums Doppelte wieder hergestellt wird; das widerspricht jeder Lebenserfahrung und geht daran vorbei, daß Hiob schon vorher aufgeatmet hat, weil er neuen Lebensraum sieht. Diesen letzten Absatz darf man ruhig vergessen.
Jeder wird aus seiner Lebens- und Leidenserfahrung sich ein anderes Bild machen. Das ist ganz höchstpersönlich. Vielleicht kann folgender Gedanke eine Anregung für Euch sein, selber weiter darüber nachzudenken: Gott hat das Chaos geschaffen, vielleicht weil nur aus dem Chaos Leben entsteht. Vielleicht hängen Chaos und Leben untrennbar zusammen: Das Chaos hält das Leben in Bewegung, ohne den unberechenbaren Anstoß aus dem Chaos wäre das Leben starr, eben kein Leben. Aber Gott hat in diesem Chaos den Lebensraum geschaffen. Immer wieder bricht das Chaos in diesen Lebensraum ein, fördert ihn und zerstört ihn. Wir empfinden es als schicksalhaft. Doch Gott verlässt uns nicht. Dort wo Chaos schicksalhaft zuschlägt, öffnet Gott neuen Lebensraum.

Das Buch Hiob ist eines der schwierigsten Bücher der Bibel, weil es der zentralen Lebensfrage nachgeht: was für eine Antwort gibt es aufs Leid? Ihr seids geguldig mitganga und habts auch die Mühe auf Euch gnomma, daß Ihr Euch auf diese Frage eiglassen habts. Das Buch Hiob gibt koa leichts Rezept, es erklärt das Leid nicht; das Leben, Gott bleibt unbegreiflich. Aber doch gibt uns das Buch Hiob eine Antwort: die Hoffnung, dass uns der Schöpfergott aus dem Wettersturm einen neuen Lebensraum schafft, wo der alte zerbrochen ist. Hingehen zu diesem neuen Lebensraum müssen wir selber. Und daß uns aus der Hoffnung auch die Kraft zuwächst, dass wir den neuen Lebensraum sehen und hingehen können, das ist unsere große Bitte an Gott.

Lied:
Gott hat alles recht gemacht durch seine Händ, er erschafft Tag und nacht das Firmament…

Die Blumen auf Erden aufwachsen mit Freud, alles muß werden, wann kommet die Zeit….

Der Weinstock bringt Reben, die Bäum tragn Frücht, alles muß leben,
wie Gott es befiehlcht!. . .

(die Strophen schließen mit einem Jodler;
aus Kastelruth/Südtirol)

Kirchenführung in der Kirche St. Alban in Lauterbach (Deckengemälde von Ignaz Baldauf, siehe rechts)

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Text auf der Grundlage einer Semestervorlesung von Prof. Dr. Manfred Görg, Ludwig-Maximilians-Universität München
Für den Text verantwortlich: Dr. Alois und Christine Igelspacher, Röhrmoos

Anmerkung: Auslegung und Weggedanke werden abweichend von der schriftdeutschen Formulierung weitgehend in bairischer Sprache vorgetragen, deshalb sind im Text dazu einige Passagen bereits bairisch formuliert.