Arnbacher Gespräche Übersicht                Arnbacher Gespräche 1991


Jahresthema 1991: Ist die Erde noch zu retten?"

2. Frauen - die Zukunft der Kirche?
Die Kirche - eine Zukunft für Frauen?

Wiltrud Huml, Leiterin des Fachbereichs Frauenseelsorge der Erzdiözese Mch/Freising
am 20. Februar 1991

 

Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 22.2.1991
Die Kirche hat sich von den Menschen entfernt
von ANITA NAUJOKAT

Arnbacher Gespräch: Frauen in Ämtern diskriminiert Arnbach - "Die Kirche lebt vom Engagement der Frauen, aber von einer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern oder gar einer weiblichen Seite im Gottesbild ist im Kirchenalltag nur wenig zu spüren."

Breite Zustimmung erntete Wiltrud Huml, Jahrgang 1954, mit der die Veranstalter Hildegard Mayerhofer und Werner Berti von der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) eine mutige und offene "Insiderin" für die zweite diesjährige Runde der Arnbacher Gespräche gewonnen haben.

Wiltrud Huml ist Diplomtheologin und seit vier Jahren Leiterin des Fachbereichs Frauenseelsorge im Erzbischöflichen Ordinariat München-Freising.

Das Thema "Frauen - die Zukunft der Kirche" oder "Die Kirche - eine Zukunft für Frauen?" hatte knapp zwanzig Frauen und drei Männer in den Arnbacher Pfarrhof gelockt. "Ein totalitäres System in vielen Bereichen, überkommene Rollenmuster und die ausgeprägte Leibfeindlichkeit - diese strukturellen Sünden haben sich in den letzten Jahren zu einer strukturellen Unglaubwürdigkeit entwickelt", lautet Wiltrud Humls schonungslose Bilanz. "Daß es kein Miteinander von Männern und Frauen gibt, akzeptieren Frauen zu Recht immer weniger", sagte die Theologin.

Das Verhältnis der Geschlechter in den Pfarrgemeinderäten sei gerade noch ausgewogen, doch "je höher die Gremien, desto weniger Frauen", gibt die temperamentvolle Frau zu bedenken. "Blumige Ausdrücke" verschleierten, daß Männer am Hebel sitzen. Zwar leisteten überwiegend Frauen ehrenamtlich Humanes und Soziales und es sitzen viel mehr Frauen in Gottesdiensten als Männer, doch was eigentlich eine Frauenkirche sei, wird von Männern geleitet. "Und mit dieser Leitung haben wir auch noch unsere Last." Man dürfe nicht unterschätzen, erinnert die Theologin, daß auch in der Kirche Machtstrukturen herrschen, ähnlich wie in Verbänden oder Parteien. "In der Kirche wird so getan, als ob das keine Rolle spielte; Kritiker werden mundtot gemacht, Schweigegebote ausgesprochen."

"Die Männer haben Angst, an Macht zu verlieren, und die Frauen wagen sich kaum in eine männliche Domäne", nennt Wiltrud Huml die Gründe. Schon in den letzten Jahren sei in der katholischen Kirche die Frauenarbeit um die Hälfte gesunken, "nur noch ältere Jahrgänge sind stark vertreten", schildert die Referentin die derzeitige Lage. "Nicht die Menschen entfernen sich von der Kirche, sondern die Kirche hat sich von den Menschen entfernt", ist für Wiltrud Huml der bessere Denk-und-Kritikansatz, dem beunruhigenden Rückzug der Frauen aus den Gotteshäusern zu begegnen. "Darüber sollte man in der Kirche reden, auf die Basis hören und von ihr lernen und nicht bei Kritik mit noch mehr Druck von oben reagieren", fordert sie.

Die Nachteile der Diskriminierung schlagen sich ihrer Meinung nach auch im spirituellen Bereich nieder. "Wir reden von Gott in männlichen Bildern; weibliche Erfahrungen mit dem Leben gehen im Glauben verloren." "Eine andere Qualität ist zu erreichen, wenn von Gott auch in weiblichen Bildern gesprochen werden kann." Ist die Zukunft der Frauen in der Kirche also heimliche Hoffnung oder aber eine überzogene Wunschvorstellung? Für Wiltrud Huml gibt es keine Ämter, die nicht auch Frauen ausüben könnten. "Die Gegner der Weihe weiblicher Priester argumentieren oft mit Tradition, ignorieren aber, daß es bereits in der Urkirche Diakonissinnen gab." Die Zukunft müßten alle sein, aber kritische Zukunftsfragen stellten fast nur Frauen und Jugendliche, lautet ihr Fazit. Und sie ruft auf: "Wir müssen liebevoll, aber hartnäckig unsere Position vertreten und das eigene Denken hörbar an den Mann bringen." "Es tut so gut", sagt eine Teilnehmerin dankbar, "daß man so was mal von jemandem hört, der selbst im Ordinariat sitzt." Und mit Blick auf die Gesprächsleitung: "Mir ist da vorne überhaupt kein Mann abgegangen."
ANITA NAUJOKAT