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Besuch der evangelischen Kirchen
in Kemmoden und Petershausen


am 2.September 2017


Der Besuch galt der ältesten evangelischen Kirche im Dachauer Raum, dem Bethaus in Kemmoden (geweiht 1829), sowie der neuesten Kirche, der Segenskirche in Petershausen (geweiht 2016). Kirchenvorstand Friedrich Wiesender berichtete den 25 Besuchern über die Entwicklung der evang.-lutherischen Kirchengemeinde nördlich von München sowie über den Bau und die Ausstattung der beiden Kirchengebäude.

1. Entwicklung der ev.luth. Kirchengemeinde

Nach dem Erlass des bayerischen Toleranzedikts durch den späteren König Max I. im Jahr 1803 konnten sich die evangelischen Christen in Bayern kirchlich organisieren. Es gab damals nur wenige Protestanten, darunter aber eine sehr prominente Person: die Königin Karoline. Max I. rief Siedler aus der Rheinpfalz in dünn besiedelte bayerische Gebiete, vor allem in Moosgegenden am Alpenrand und an der Donau. Dieser ersten Welle folgte 20 Jahre später eine zweite, bei der sich die Siedler vor allem nach verwaisten Bauernhöfen umsahen und so auch in unsere Gegend kamen. Viele wanderten um 1818/20 aus dem Elsaß und aus der Rheinpfalz, das von den Franzosen besetzt war, ein. Mehr als 100 Familien kamen, siedelten u.a. in Fränking, Eck, Neuried, Wengenhausen, Senkenschlag, Kleinschwabhausen, Kemmoden und Lanzenried. Es handelte sich in der Mehrheit um Menschen der evang.luth. Konfession, aber es waren auch Freikirchliche, Mennoniten und Katholiken darunter.

Die erste evang. luther. Kirchengemeinde in un-serer Gegend umfasste die Gebiete der Landgerichte Dachau, Aichach, Pfaffen-hofen, Schrobenhausen, Freising und Moosburg.
Als Sitz wurde 1820 Kem-moden gewählt, weil es zentral lag und weil dort eine größere Zahl von
Evangelischen, nämlich
30, wohnten. Die Gesamt-zahl der Protestanten in diesem großen Gebiet betrug 280. Gottesdienst mussten sie in der Hof-kapelle des Wirts feiern.

Kirchenvorstand Friedrich Wiesender bei der Einführung in Kemmoden
Schon 1822 bemühten sich die Siedler um die behördliche Erlaubnis zum Kirchen- und Schulbau. Sie konnten auch einen Bauplatz vorweisen, der von dem Gemeindemitglied (und Mennoniten) Dahlem zur Verfügung gestellt wurde. Der Wirt gab das Grundstück für den Friedhof dazu. Doch es dauerte bis 1828 als endlich der Grundstein gelegt werden konnte. Der Bau dauerte nur ein Jahr, obwohl es einige Probleme gab. So z. B. mit dem Baumaterial. Das wurde von dem damaligen Besitzer des säkularisierten Klosters Scheyern, Claus Moritz Frhr. von Taube aus Sachsen, angeboten. Doch es war so schlecht, dass man es nicht verwenden konnte; zudem mussten die Kemmodener außerordentlich hohe Transportkosten bezahlen. Taube kostete der Pfarrei viel Geld. Dennoch konnte der Bau schon ein Jahr später, 1829, fertiggestellt werden. Im gleichen Jahr wurde die evangelische Gemeinde offiziell gegründet.


2. Die Kirche in Kemmoden

Das Gebäude hat man aus Kostengründen nach ausschließlich praktischen Gesichtspunkten geplant: Im Erdgeschoss befanden sich der Schulraum und eine kleine Pfarrer- bzw. Lehrerwohnung mit 2 Kammern und einer kleinen Küche; im Obergeschoss darüber der schlichte Betsaal. Das -übrigens nie als Kirche geweihte- Gotteshaus wurde 1837 um eine Fensterachse (von vier auf fünf) verlängert; der Turm kam 1876 dazu. In ihm hängen heute drei Glocken, die vom Treppenhaus aus per Seil geläutet werden.
Der Betsaal im Ober-geschoss wird durch die großen Fenster nicht nur hell ausgeleuchtet, sondern in seinem Erscheinungsbild auch maßgeblich mitgeprägt. Blickpunkt sind der Altar mit einem hohem Kruzifix und die dekorative Kanzel; alles im Stil des Neurokoko gearbeitet. Hinter den hohen blauen Kirchenstühlen steht die große Orgel, die von Nürnberger Bürgern gestiftet worden war.

im Kirchensaal von Kemmoden

mehr erfahren Sie auf der neu überarbeiteten Kemmoden-Seite bei Kirchen und Kapellen ...


3. Segenskirche in Petershausen
Die Segenskirche in Petershausen ist die jüngste Kirche im Dachauer Land und eines von nur zwei Bauvorhaben, das die evangelische Kirche in Bayern in den 5 Jahren von 2011 bis 2016 realisiert hat. Der hellblaue Gebäudekomplex in der Nähe des Bahnhofs besteht aus dem Kinderhaus, das im Eigentum der Gemeinde steht, aus dem 1996 von der Pfarrgemeinde errichteten Gemeindezentrum und der 2016 erbauten Kirche.
Schon 1978 war eine evang. Kirche geplant. Vorgesehen war der Umbau einer Scheune neben der Raiffeisenbank. Gottseidank wurde dieser Plan verworfen.
1996 erstellte Prof. Dr. Hugues den Plan für einen Neubau, der aus Geldmangel aber nur zum Teil verwirklicht wurde. Gebaut wurden das Kinderhaus und das Gemeindezentrum; vier Jahre später errichteten Gemeindemitglieder den 15 Meter hohen Turm in Eigenleistung. An der Stelle der vorgesehenen Kirche verblieb ein lee-rer, später von einer Mauer umgebener Platz, der für Festlichkeiten verwendet wurde.

vor der Segenskirche in Petershausen
Als 2013 die Kirchengemeinde das Areal mit einem Zeltdach versehen wollte, kam von der Finanzkammer die Zusage für den Kirchenbau. Als Architekt konnte ein Schüler von Prof. Hugues, Prof. Hammer, gewonnen werden, der die ursprünglichen Pläne seines Lehrers für die Außenansicht aufgriff. Den Innenraum interpretierte er aber komplett neu.
Die Kirche ist außen aus Betonteilen, im Inneren ganz aus Holz gebaut. Decke, Boden, Wände und die gesamte Inneneinrich-tung einschließlich Altar und Ambo bestehen aus dem Holz der Weißtanne. Der Kirchenraum wird mit Ausnahme zweier kleiner Fenster an der Nordseite ausschließlich durch das sog. Himmelsfenster, eine große Luke an der Decke, erhellt. Das Fenster-kreuz in der Luke zeichnet bei Sonnenschein ein mit dem Sonnenstand langsam wanderndes Kreuz auf den Boden und an die Wand der Kirche. Altar, Ambo und Taufstein wurden vom Oberammergauer Bildhauer Hermann Bigelmayr gestaltet.Gemeinsam ist allen die kubische Form, die sie als wuchtig erscheinen lassen sowie die markante Holzmaserung. Die Holzblöcke sind aber nicht massiv, sondern innen hohl. Damit sind sie relativ leicht verrückbar und sehr flexibel.
"Harte Schale, weicher Kern, der ein Schatzkästchen umschließt", so charakterisierte der Architekt Prof. Hammer die Kirche in Petershausen.


Verfasser: Hans Schertl


Bilder: Hans Schertl